Gestern war ich im Zoo, und es war kalt. Warum frieren wir so gerne im Freien, hab ich mich gefragt. Wir haben uns kulturell eine komfortable Errungenschaft nach der anderen abgerungen, können trockene Häuser bauen mit Jacuzzis dran und Backofen drin. Wir können es warm haben, wenn wir wollen. Warum gehen wir freiwillig raus?

Besonders deutlich wurde mir das bei den Erdmännchen. Manche Tiere wie die Tiger oder die Affen haben ein Haus mit Dach und Heizung und Reinigungsservice – und andere wie die Erdmännchen wühlen sich ganz wohl in ihren Erdlöchern, brauchen aber dringend eine Heizlampe zum Wohlfühlen. Andere Tiere klopfen sich Höhlen in Baumstämme oder bauen sich stattliche Unterkünfte aus Wachs, Papier oder Erde. Biber tauchen erstmal ein paar Meter, bevor sie sich in ihre warme, trockene Burg setzen können. Und Schildkröten und Schnecken haben ihr Haus immer mit dabei – praktisch und umständlich zugleich.

Wir leben alle anders. Und doch haben wir alle gewisse Standards für unsere Spezies. Wir mitteleuropäischen Wohlstandsmenschen machen uns in der Regel keine Gedanken über fließendes Wasser im Haus: Hahn auf und das Wasser rauscht durch die Leitungen. Wir waschen damit, unsere Hände auch, machen uns Kaffee und Tee, kochen Nudeln, Kartoffeln und Grünkohl drin, duschen nach schweißtreibender Arbeit und spülen unsere Hinterlassenschaften hinfort damit. Fließend Wasser in der Wohnung ist eine Selbstverständlichkeit.

In Heidelberg brach deshalb letzte Woche eine mittlere Massenpanik aus. In meinem Stadtteil war das Wasser blau verfärbt, die Behörden haben jeden Kontakt mit dem Wasser verboten. Kein Kaffee, kein Tee, kein Nudelwasser. Kein wärmendes Bad nach harter Arbeit im Freien. Kein Händewaschen nach dem Fischausnehmen. Zähneputzen nur trocken, Abwasch muss stehen bleiben. (Es ist ja nicht alles nur negativ).

Das Wassertropfenberührungsverbot bestand zwar nur wenige Stunden, aber die Panik war da. Wasserflaschen in der ganzen Stadt: ausverkauft! Dreckige Hände überall. Die Klamotten schon seit 3 Stunden getragen – widerlich!

Eine Woche vorher schon lag die Katastrophe in der Luft. Bei einem Industriebetrieb kam es zu einer chemischen Reaktion größeren Stils, halb Heidelberg badete in einer Toluol-Wolke. Frischluftzufuhr – verboten! Kein Fenster öffnen, Lüftungsanlagen abschalten!

Zwei massive Störungen unserer Comfort Zone in einer Woche, beide zum Glück nur wenige Stunden lang. Trotzdem Panik. Wir sind es nicht mehr gewohnt, mit Einschränkungen zu leben; ich bin es nicht mehr gewohnt, mit Einschränkungen zu leben. Vielleicht ist diese Selbstverständlichkeit einer geräuschlos funktionierenden Infrastruktur keine wirkliche Selbstverständlichkeit. Vielleicht ist es sogar das Gegenteil davon: ein Wunder an Komfort. Eines, das in der gesamten Fauna nur uns Menschen zuteil wird.

Ich schaue die Erdmännchen an und denke: Wo waschen die eigentlich ihre putzigen Händchen? Und ihren Pelz? Baden sie regelmäßig am Samstagabend, und wie lange kochen sie eigentlich ihre Spaghetti, bis diese bissfest genug sind? Mich friert.

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