Einem Bekannten von mir geht es in letzter Zeit nicht so gut. Er steckt in einer Krise. Das ist nicht schlimm, denn niemand von uns geht krisenlos durchs Leben. Kritisch werden Krisen erst wenn sie unbearbeitet bleiben oder man hilflos versucht alles alleine lösen zu wollen. Dann geschieht das, was oft als in sich hineinfressen bezeichnet wird. Wobei dieses Hineinfressen eigentlich kein Hineinfressen-, sondern vielmehr ein nicht rauslassen ist. Denn drin ist es ja schon. Die Lösung liegt, wie so oft, im Teilen.

Wir reden viel miteinander. So wie er mir schon durch viele miese Lebenslagen geholfen hat unterstütze ich ihn auch so gut es geht. In solchen freundschaftlichen Kontakten begreife ich oft den Unterschied zwischen Helfen und Begleiten. Helfen kann ich Menschen ganz praktisch.

„Hey, Christoph, hast Du einen Rasenmäher den ich mir mal ausleihen kann?“ – „Klar.“ Zack, geholfen.

„Kannst Du mir nachher, wenn Du einkaufen gehst, zehn Brötchen mitbringen?“ – „Mach ich!“ Geholfen.

„Ihr Bein ist gebrochen, ich werde es jetzt eingipsen.“ – Geholfen.

Wenn es immer so einfach wäre…

Ich kann meinem Bekannten nicht helfen. Denn seine Krise findet in seiner Wirklichkeit statt, in seinem Leben, lösen seine Gefühle aus. Es gibt keine Tätigkeit die ich ausführen kann und … ZACK … alles ist wieder gut, bzw. so wie er es gerne hätte. Krisen sind Prozesse. Prozesse brauchen Begleitung.

Und Begleitung bedeutet da zu sein, Situationen mit auszuhalten, dabei zu bleiben, auch wenn es schwer ist. Manchmal ist es sogar nervig, redundant, nicht nachvollziehbar, doof oder wütend-machend. Begleiten bedeutet zu signalisieren: Ich bin da und ich gehe auch nicht weg! Nicht ohne wenn und aber. Denn Begleiten bedeutet nicht still mitzuleiden.
Ein guter Begleiter ist eine Reflexionshelfer.

Deshalb habe ich meinem Bekannten letztens folgende Frage gestellt:
„Auf einer Skala von eins bis 10, wobei die 1 absolute Vollscheiße bedeutet und die 10 das Paradies, wo siehst Du Dich gerade?“

Anmerkung: Für Psychologen, systemisch geschulte Trainer und Coaches mag das Folgende trivial bis langweilig erscheinen. Ist es aber nicht. Beziehungsweise nur, wenn man nicht gewillt ist von seinem hohen Ross zu steigen und anzuerkennen, dass die Beschäftigung mit dem eigenen Empfinden für die meisten Menschen im Alltag keine Rolle spielt. Warum? Weil sie es nie lernen durften.

Seine Antwort: „5.“

Aha, puh, also recht weit weg von einem güllegrubenartigem Lebensgefühl.

Meine Frage darauf: „Was kannst Du tun, um bald bei einer 6 zu sein?“

Ich habe auf meine Frage nie eine konkrete Antwort erhalten, wohl aber diese Nachricht: „Danke für die Frage.“

Was macht eine solche Frage mit uns? Warum kann sie wertvoll und hilfreich sein? Weil sie uns hilft Dinge zu sortieren, zu hinterfragen und aus dem großen Wust an gefühlten Problemen einige Dinge herauszufischen. Plötzlich konfrontieren wir uns mit einer klar abgegrenzten Fragestellung, nämlich der Frage, was wir jetzt tun können, für uns, damit es uns etwas besser geht. Nicht perfekt, nicht super, vielleicht noch nicht einmal gut… aber: etwas besser. Eine solche Fragen zeigt Perspektiven auf, auch wenn gerade gefühlt keine Perspektive besteht.
Fragen machen einen Freund zum Begleiter. Fragen sind das Gegenteil von Ratschlägen, die immer aus der eigenen Wirklichkeit auf die Wirklichkeit des Gegenübers gestülpt werden. Und wer möchte schon etwas übergestülpt bekommen…? Genau.

Gleichzeitig kann man sich mit Fragen auch selber unterstützen. Wer sich heute Abend fragt: „Wie geht es mir heute und wie kann ich morgen ein bisschen glücklicher werden“, der ist auf dem besten Wege etwas Gutes für sich zu tun.

Ich wünsche Euch viel Erfolg und Spaß beim Begleiten von Euch und anderen. Seid einfach da. Mehr brauchen die Menschen um Euch herum eigentlich gar nicht.

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