In meinem Bundesland enden die Sommerferien in der nächsten Woche. In allen Bundesländern endet der Sommer in den kommenden 8 Wochen. Dann beginnt sie wieder, die Husten,- Schnupfen- und Heiserkeits-Zeit.

Dann wird sie rollen. Die zweite Welle. Corona Welle? Keine Ahnung! Auf jeden Fall aber die zweite Welle der Verunsicherung.

Am Frühstückstisch werden Eltern die Rotznase ihrer Kinder diskutieren. Kindergarten-kompatibel? Ja? Nein? Muss?!
Kindergartenpersonal wird die Betreuung des Einzelnen gegen das Wohl der Gruppe abwägen. Grundschullehrerinnen werden zu Corona-Detektorinnen. Arbeitgeber wägen wirtschaftliche Interessen gegen das betriebsinterne Allgemeinwohl ab.

Bundestrainer sind wir schon alle. Dazu werden wir alle nun noch Diagnostiker.

Anders als bei der ersten Verunsicherungswelle ist das Gefühl des Abenteuers vorbei. Wir alle sind uns der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Gefahren bewusst – oder negieren sie als falsch, von Aliens gesteuert, oder was auch immer.
Egal wie wir zu Maskenpflicht und Co. stehen, wir sind verunsichert, weil wir den gegensätzlichen Standpunkt zu unserem Standpunkt nicht nachvollziehen können.

Diese Unsicherheit kann vieles schaffen: etwa Aggression, die heute schon bei gut besuchten Demonstrationen zu beobachten ist. Aggression die bei den Gegenstandpunktlern Aggression auslöst. Ein Teufelskreis.

Was können wir tun?

Die erste Welle war dominiert von einem Begriff: Solidarität. Auf den ersten Blick super. Problem: Solidarisch kann man mit allem und jedem sein. Mit Alten, Schwachen und Kranken, mit Rocker-Gangs, Impfgegnern, Maskenhassern und veganen Köchen. Jeder ist solidarisch, irgendwie. Und wenn es mit der lokalen, geheimen Vereinigung der Satanisten ist.
Solidarität hilft nicht weiter, denn sie ist kein Zeichen für gesellschaftliche Kohäsion.

Welchen Begriff schlägst Du also vor, Christoph? Wie schaffen wir soziale Verbindungen?

Mein Vorschlag: Nächstenliebe. Irgenwie veraltet, oder?!

Wikipedia definiert sie so:
„Als Nächstenliebe wird ein helfendes Handeln für andere Menschen bezeichnet. „Liebe“ beinhaltet hier jede dem Wohl des Mitmenschen zugewandte aktive, uneigennützige Gefühls-, Willens- und Tathandlung, nicht unbedingt eine emotionale Sympathie.“

Wer Nächstenliebe betreibt denkt nicht (nur) an sich, sondern fühlt sich ebenso in das Wohl seiner Mitmenschen ein. Er fragt sich was anderen gut tun und helfen würde. Dabei bedeutet Nächstenliebe (zum Glück!!!) nicht, jeden und alles lieben zu müssen. Geht ja auch gar nicht. Wer will das schön.
Das bedeutet: man darf manch andere Menschen weiter doof finden, sich gleichzeitig jedoch fragen was meiner Umgebung gut tut – auch wenn ich vielleicht eine andere Meinung vertrete.

Das wird nicht leicht. Nächstenliebe zu praktizieren heißt nämlich auch den eigenen Egoismus zu hinterfragen und zu reflektieren. Und, anderes als bei der Solidarität, kann ich mir meine Nächsten nicht aussuchen. Sie versammeln sich einfach um mich und ich mich um sie. Bedingt durch meinen Wohnort, meine Arbeitsstätte, meine Familie, …

Solidarisch sein ist simpel: irgendwo auf der Welt finde ich schon eine Handvoll Menschen die genauso denken, fühlen und handeln wie ich. Mit den erkläre ich mich dann solidarisch. Zack, fertig, fühlt sich gut an.
Nächstenliebe muss praktiziert werden, auch gegen eigene inner Widerstände.

Lohnt es sich? Sicher. Denn Nächstenliebe wird uns nicht vor Viren schützen, jedoch vor der nächsten Verunsicherungswelle.

Wem das alles zu kompliziert ist, hier ein Tipp: stellt Euch ein Bild Eures Lieblingsaltenmenschen auf und fragt Euch ganz einfach: möchte ich, dass die Menschen rund um diesen Menschen nach den Regeln der Nächstenliebe agieren oder soll ihnen alles scheiß egal sein?

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