Irgendwann muss einer Person die genialste Stellenanzeigenformulierung überhaupt eingefallen sein. Irgendwas Integratives, das sich total teambildend und wertschätzend anhört. Sowas auf Augenhöhe, sowas mit „Wir“ und „Du“, sowas Partnerschaftliches halt.

Kurz soll es sein, drei Wörter – so auf den Punkt wie „Wir schaffen das!“ oder „Ich liebe Dich!“ oder „Ja, ich will!“. Also, den genialen Spruch halt, der die Attention potentieller künftiger Kolleginnen und Kollegen weckt.

„Wir suchen Dich!“

Genialer Spruch, oder? Hunderttausendfach kopiert und auf (fast) jede Stellenanzeige geklebt, die irgendwie was mit Millennials und Digital Natives und New Work und so zu tun haben will. „Wir suchen Dich!“.

Leeres Versprechen

Diese Firma will mich haben! „Danke für die Suchanzeige! Euer Suchen hat nun ein Ende!“

Aber nein. Natürlich nicht. „Wir suchen Dich“ grölen sie, die Unternehmen, aber in Wirklichkeit suchen sie mich überhaupt nicht. Und Dich nicht und Dich da hinten auch nicht und Dich mit den exzellenten Zeugnissen, aber dem falschen Wohnort oder Alter oder Haarschnitt auch nicht. So leid es mir tut. Hunderttausendfach suchen sie weder mich noch Dich.

„Wir suchen Dich!“ ist eine der größten Lügen der Human Ressources.

Dich nicht.

Ich antworte manchmal direkt mit: „Nein, tut Ihr nicht!“ Am Ende suchen sie nämlich niemanden, jedenfalls fast. Sagen wir, 300 Menschen fühlen sich angesprochen und glauben dem Spruch. Eingestellt, also wirklich gesucht, wird aber nur eine Person. Macht 1 durch 300, also 0,3 Prozent. Das ist näher bei Null als bei Eins. Das Unternehmen sagt den 299 anderen mehr oder weniger kalt: Haha, nö. Dich haben wir nicht gesucht. Jemand anderes „passte besser zu den geforderten Anforderungen“ oder was immer in solch einem Absage-Schreiben drinstehen mag.

(Ich hoffe, Ihr habt keine allzu große Sammlung dieser „Wir suchen Dich doch nicht, Blödmann!“-Schreiben abheften müssen.)

Ich finde diesen Spruch logischerweise abgegriffen und mittlerweile ein Zeichen dafür, dass sich die HR keinerlei Mühe gibt. Ich finde ihn unkreativ und „geklaut“. Ich finde ihn oberflächlich und anmaßend. Ich finde ihn falsch und gelogen. Vor allem und schlimmstem aber: hämisch und sarkastisch. Weil er durch die direkte Ansprache „Wir suchen Dich!“ eine Hoffnung weckt, die sich nur für eine Person erfüllt. Die anderen gehen leer aus. Und dieses kompetitive „The Winner takes it all“ ist alles andere als „auf Augenhöhe“, alles andere als „wertschätzend“. Alles andere als „integrativ“. Du Dummerchen hast wirklich gelaubt, wir würden Dich suchen? Eine Runde Mitleid…

Anonym funktioniert’s nicht

Der Spruch ist super, wenn er im direkten Gespräch gesagt wird. Wenn zwei Menschen sich aus dem gemeinsamen Verein kennen und die eine sucht wirklich neue Mitarbeiter. Und kann sich wirklich vorstellen, die Vereinskollegin einzustellen. „Wir suchen Dich!“ ist dann eine Aussage, die wirklich Hoffnung macht und mit der Lob und Anerkennung zuteil werden. Aber er funktioniert halt nicht und niemals „anonym“. Warum wissen das die Personalmenschen nicht? Bewerben die sich nicht selber? Fehlt ihnen Empathie?

Okay, erwachsene Menschen sagen: So ist das Leben. Warum regst Du Dich darüber auf, ist doch nur ein Spruch. Und dass das nicht ernst gemeint ist, weiß doch jeder.

Ja, logisch. Aber diese Betrachtung ändert nichts daran, dass das Unternehmen ein falsches Versprechen macht. Und Menschen vor den Kopf stößt.

Liebe täuscht nicht

Ersetzt doch einfach mal das Verb. Sagt: „Ich liebe Dich.“ Und schaut dann, was passiert, wenn Anna und Anton, Barbara und Bernd mit Blumen vor der Tür stehen. Und Ihr ihnen dann schreibt: „Carola und Carl passten besser zu den geforderten Anforderungen.“

Ganz ehrlich: Bei solchen Unternehmen möchte ich nicht arbeiten. Muss ich ja auch nicht. Die suchen mich eh nicht. Und Dich auch nicht.

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