„Kinder, wir fahren morgen in den Zoo.“
Schon in normalen Zeiten führt dieser Satz aus elterlichem Mund nicht unbedingt zu Ablehnung. Jetzt, nach Monaten des Lockdowns, führt er zu ungläubigen Blicken und echter kindlicher Freude.
Am nächsten Tag packen wir unsere 77 Sachen. Wir wissen, dass Pommes und Eis am Zookiosk wahrscheinlich pandemiebedingt ausfallen werden. Daher ist alles dabei: Brot, Obst, Getränke und Süßigkeiten für die Glucosemotivation zwischendurch.
Attacke, los geht´s.
Weil K2 kein allzu großer Autobahnfan ist, wählen wir die Überlandfahrt die die Route nur um 15 Minuten verlängert.
Nach und nach schrauben wir uns die Hügel Richtung Sauerland hoch. Nach und nach wird es nebeliger. Es regnet leicht. Das wussten wir und es war uns egal.
Nach und nach beginnt es zu schneien. Nach und nach immer mehr. Nach und nach wird die Straße glitschig, dann glatt, dann so richtig glatt.
Der Gedanke, weiter durch diese herrlich Landschaft rutschen zu müssen, in der Gewissheit nach dem Zoobesuch in Eckenhagen wieder zurückjinglebellen zu müssen, lässt mich eine Entscheidung treffen.
Ich fahre rechts ran.
„Sind wir da?“, fragen die Kinder fröhlich.
„Es ist richtig glatt und wird immer mehr. Ich hab Angst so weiterzufahren. Auch, weil wir ja auch noch sicher zurück wollen. Ich fahre jetzt zurück. Mir ist das zu gefährlich.“
„Kein Zoo?“ Ich spüre die Enttäuschung der Kinder und sie lässt meinen Magen flau werden. Genauer: Das Gefühl im Magen wird flau.
„Nein. Und ich verstehe, dass ihr jetzt doll enttäuscht seid. Das bin ich auch! Wir fahren da hin sobald das Wetter wieder besser ist.“
„Ok. Ist ja auch doofes Wetter und uns wär sicher schnell kalt.“
Kein Blabla, keine Schonung. Es ist, wie es ist. Doof. Aber kein Weltuntergang.
Wir fahren zurück, holen uns eine Pizza und gucken die aktuelle Maus-Folge.
Ja, ich hatte ein schlechtes Gewissen. Jetzt haben die Kinder doch sooo lange auf Aktivitäten verzichten müssen. Ich habe es doch versprochen…
Kinder sind aber auch nicht doof. Sie verstehen Situationen gut wenn sie nachvollziehbar sind und nicht irgendwie erdacht. Sie können Gefahren einschätzen und akzeptieren Entscheidungen.
Allzu oft, so meine Beobachtung, erschaffen wir Erwachsenen, durch einen falsch verstandenes Schutzimpuls, wachsweiche Situationen der Unsicherheit für die Kinder in unserem Umfeld. Statt zu sagen wie es ist, beginnen wir Dinge zu entschuldigen und tragen unser schlechtes Gewissen nach außen – eines, das wir einem anderen Erwachsenen gegenüber nie hätten. Wir degradieren die Kinder zu Kindern, ohne dadurch einen Vorteil für sie zu generieren. Vielmehr drangsalieren wir sie in die Situation kindisch reagieren zu müssen. Mit hängenden Schultern und Hundeblick bitten wir um Entschuldigung, noch bevor das Kind überhaupt eine Situation erkannt hat in der es etwas zu entschuldigen geben könnte.
Ich habe heute wieder eine gute Erfahrung gemacht: Kinder verstehen verstehbare Dinge und Situationen und man kann mit ihnen erwachsen reden.
Erwachsen bedeutet: Man muss sie nicht vor allen Enttäuschungen schützen. Und manche Frustrationen schwappen erst auf die Kinder über, weil wir unsere eigene Ernüchterung zur Übertragung anbieten.
Jetzt freuen wir uns gemeinsam auf den nächsten Sonntag. Da fahren wir in den Zoo.