Der Winter kommt. Nach einem, zumindest in meiner Region Deutschlands, fast ausgefallenen Sommer, klopft nun der Herbst hörbar an die Tür.
Eltern wissen, dass das Husten/Schnupfen/Rotznasen-Zeit bedeutet. Schon in nicht-Corona-Zeiten ist das nervig und anstrengend.
Jetzt bedeutet es: Stress.

In den kommenden Wochen und Monaten wird jede laufende Nase zur individuellen Kurz-Quarantäne, zum Familienlockdown auf Zeit.
Sobald ein Kind etwas kränklich ist, ist es raus aus Kindergarten und Schule. Und damit mindestens ein Erwachsener als Aufsichtsperson – egal ob geimpft oder nicht. Das Kind kann ja nicht alleine zuhause bleiben.
Hinzu kommen die unumgehbaren, echten Quarantänen, ausgelöst durch positive Tests in Schulen und anderen Einrichtungen.
Während ich diese Zeilen tippe, befinden sich drei Familien, die ich gut kenne, in Quarantäne. Eine gefühlte Statistik zwar, jedoch wahrscheinlich eine, die sich auch validieren ließe.

Anders als im vergangenen Winter ist Corona, und der Umgang damit, nun eine individuelle Aufgabe und Herausforderung einer jeden Familie. Wir sitzen nicht mehr alle gemeinsam im Lockdown-Boot und können uns über die gemeinsame Situation austauschen. Dadurch potenzieren sich Einschränkungen womöglich. Zum Beispiel wenn in einer Schulklasse irgendwie immer gerade einige Kinder wegen Schnupfen oder Quarantäne fehlen und die Klassengemeinschaft als Gesamtkonstrukt nicht mehr stattfinden kann.

Lehrerinnen und Lehrer werden vor die Herausforderung gestellt werden ihre Klasse vor Ort zu unterrichten und sich parallel um die Kinder zuhause zu kümmern. Eine Aufgabe, für die spätestens jetzt jede Schule Ideen und Konzepte vorbereiten sollte.

Nie zuvor habe ich so viele Menschen offen aussprechen gehört, dass Ihre Nerven blank liegen, sie extrem angespannt sind oder aggressiv, wie in den letzten Tagen.
Der Winter kommt und mit ihm die Angst vieler Eltern vor den Einschränkungen der kommenden Zeit.

Anders als im letzten Herbst/Winter sind diese Einschränkungen kaum planbar. Jederzeit kann das Telefon schellen, um die Eltern zu informieren, dass das Kind abgeholt und von nun an erstmal zuhause bleiben muss bis das Gesundheitsamt vor Ort seinen Daumen hebt oder senkt.

So entsteht Stress.

Denn Stress wird unter anderem so definiert, dass einer Person für bestimmte Anforderungen/Herausforderungen nicht die passenden Ressourcen zu Verfügung stehen. (vgl. zum Beispiel hier)

Stellen Sie sich Folgendes vor: Sie sitzen in einem Flugzeug, 10.000 Meter über der Erde. Ihre Kinder sind auch mit an Bord. Plötzlich entsteht eine Situation die Sie dazu zwingt das Flugzeug zu seinem Zielflughafen steuern- und dort landen zu müssen.

Stress! Warum?

Sie haben keinerlei Ahnung (Ressourcen), die Sie befähigt die anstehende Aufgabe zu lösen.

Ein versierter Flugkapitän dagegen würde die Aufgabe relativ entspannt bewältigen können, weil ihm durch seine Ausbildung das nötige Wissen (Ressourcen) zu Verfügung steht.

In einer ähnlichen Situation befinden sich nun Eltern von Kindern, die aufgrund ihres jungen Alters nicht geimpft werden können. Sie sind mit einer Situation konfrontiert, für die sie nicht die nötigen Lösungsstrategien haben können. Hinter jedem Anruf kann ein „Abholbefehl“ stecken, hinter jedem Schnupfen das Umwerfen der Tagesplanung oder der Planung der gesamten nächsten Wochen.

Hält dieser Stress an, kann es zu Verdauungsbeschwerden, Herz- Kreislauf- Störungen, Migräne sowie chronische Müdigkeit oder Antriebslosigkeit kommen.

Was tun?

Wer Stress hat, sollte Stressauslöser vermeiden. Das wird Eltern in den kommenden Monaten schlicht nicht gelingen können. Die Situation ist so wie sie ist und kann vom Einzelnen nicht geändert werden.

Was wir jedoch regulieren können ist unser Umgang mit der Situation und unseren Reaktionen darauf. Wie?

  1. Es ist wie es ist.
    Stellen Sie sich vor wie die kommenden Wochen und Monate im miesesten Fall laufen werden. Entwickeln Sie daraufhin ganz praktische Strategien für den Worst Case und schreiben Sie sich Handlungsabläufe auf.
    „Wenn die Schule anruft und sagt, dass… , dann …“
  2. Was tut Ihnen gut?
    Was macht Sie fröhlich/zufrieden/beschwingt/glücklich? Schreiben Sie es auf. Jetzt. Und genau diese Liste arbeiten sie ab, wenn der Stress droht überhand zu nehmen.
  3. Seien sie offen.
    Kinder wissen, wie es ihren Eltern geht. Unsere Aufgabe ist es den Kindern den Raum zu geben dies ausdrücken und benennen zu dürfen. Wenn Mama oder Papa gestresst sind, ist das für Kinder eigentlich nicht weiter schlimm. Schlimm wird es, wenn die Kinder dafür keinen Ausdruck finden oder nicht offen darüber gesprochen wird. Eltern sind nicht unfehlbar und Kindern tut es gut zu erfahren, dass auch Mama und Papa manchmal hilflos sind. Dann können auch sie offen über ihre Ängste und Sorgen sprechen.
  4. Bereiten Sie sich vor
    … und das in zweierlei Hinsicht: Sagen Sie zu Ihren Kindern offen, welche Situationen es in der kommenden Zeit geben könnte – in einem entspannten Rahmen.
    Kinder können damit umgehen. Gleichzeitig entlasten Sie ihre Kinder, denn diese erleben, dass Mama und Papa planen und vorbereitet sind. Und Dinge von denen Kinder schon einmal gehört haben, sind meist gar nicht mehr so schlimm.
    Punkt 2: Bereiten Sie sich praktisch vor. Legen Sie Lego-Vorräte an, kaufen Sie neue Bücher und was die Familienzeit sonst noch positiv gestalten kann. Mit diesem „geheimen“ Backup sind Sie gut ausgerüstet für die Tage zuhause. Und wenn kein Quarantäne-Szenario eintritt? Dann haben Sie schon einige Weihnachtsgeschenke zusammen. Auch toll.

Die Lunten sind kurz, die Nerven gespannt. Lassen Sie uns gut und achtsam in den nächsten Monaten miteinander umgehen. Für unser eigenes Wohlbefinden, vor allem aber für ein entspanntes Aufwachsen unserer Kinder.

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