Neulich. Am Sonntag. Ein Kindercafé in einer Ruhrpottstadt. Nicht einladend. Eher mit dem Charme eines alten Aldi-Marktes behaftet. Dafür vollgepropft mit Kinderspielsachen und dem Versprechen an die Eltern mal in Ruhe frühstücken zu können.
Knapp 80 Minuten später verlassen wir den Laden wieder. Hungrig und mit weinenden Kindern.
Das Team des vermeintlichen Paradieses hatte es nicht geschafft uns binnen einer guten Stunde mit Lebensmitteln und Getränken zu versorgen. Genauer: wir erhielten gar nichts.
Der fußläufig erreichbare Weihnachtsmarkt rettete uns vor dem unvermeidlichen Tod durch nöhlende Kinder.
Meiner Pflicht als fast-Digital-Nativ nachkommend schrieb ich selbstverständlich postwendend vernichtende Kritiken in allen sozialen Netzwerken.
Das … liegt recht zentral nah der Hattinger Fußgängerzone. Das grundlegende Konzept ist vielversprechend: ein kinderfreundliches Café, mit vielen Spielsachen, wenig Gefahrenquellen und enorm Zeit für die Eltern Kaffee zu trinken.
Soweit die Theorie, die uns dazu verleitet einen Tisch zu reservieren.
In der Praxis erwartet den Gast ein großer Raum mit der Anmutung eines lieblos eingerichteten Kindergartens. Die Spielgeräte sind in Ordnung, befriedigen aber höchstens U3-Kinder. Für ältere gibt es keine Angebote. Die Deckenbeleuchtung besteht aus Neonröhren und verleiht dem Raum den Charme eines leerstehenden Lebensmittelmarktes.
Die offene Zubereitungsküche liegt im Raum und ist in etwa so ausgestattet wie eine durchschnittliche WG-Küche. Zusammengewürfelt und weit weg von Gastronomie.
Alles nicht schlimm.
Wir nehmen Platz und es dauert mehr als 15 Minuten bis unsere Bestellung aufgenommen wird. Der Laden ist gut besucht, aber recht klein. Die zwei anwesenden Servicekräfte könnten das Ganze also gut bewältigen.
Dann beginnt das Chaos.
Obwohl der Laden schon seit mindestens 30 Minuten geöffnet hat verschwindet eine unserer Gastgeberinnen um Brötchen zu kaufen. Das Ganze findet einige Zeit später noch einmal statt.
Nach 60 Minuten haben wir noch kein einziges Getränk erhalten, obwohl seit unserer Ankunft keine neuen Gäste mehr dazu gekommen sind.
Der Service ist völlig unorganisiert, chaotisch, überlastet. Daraus resultiert eine aufkeimende Unfreundlichkeit.
Nach mehr als einer Stunde bekommen wir, auf Drängen, unsere Getränke. Die Kinder sind mittlerweile hungrig und nölig… alles was man mit dem Besuch in einem Kindercafé vermeiden möchte.
Nach mehr als 70 Minuten verlasse wir das Café, ohne etwas gegessen zu haben und suchen uns ein anderes Café. Kurz vorher hatten wir erfahren, dass die Speisen noch mindestens 15 Minuten brauchen würden.
Alles in allem: eine Katastrophe! Jeder macht mal Fehler und es ist völlig in Ordnung wenn etwas schief läuft. Der Laden vermittelt uns aber einen solch maximal unprofessionellen Eindruck, dass hier wohl eher System (bzw. kein System) als Versehen dahintersteht.
Wir kommen nie wieder!
Die Cafébetreiberin antwortete und rechtfertigte sich in langen Worten, betonte ihre nicht-Angepisstheit zahlreiche Male und erschien dabei doch nur… angepisst.
Was hilft Ihnen nun dieser Erguss über meine missglückten Restaurantbesuche?
Weiß ich nicht, sagen Sie es mir. Wofür gibt es denn sonst die Möglichkeit in diesem Internet alles zu kommentieren!
Ich erschaudere dabei zu bemerken, dass wir uns fast alle, immer und zu jeder Zeit rechtfertigen. Fehler machen die anderen. Und wenn wir welche machen, dann machen wir die, weil die anderen uns quasi dazu gezwungen haben – durch ihre Fehler. Ja, Ihre!
Warum chillen wir nicht mal die Base und geben zu, dass wir nicht perfekt sind? Warum verwechseln wir Kritik mit persönlichem Angriff? Warum sind wir so selten fair zu uns selber und warum gucken wir nicht mal objektiv auf uns?
A) Weil es schwer ist. Andere zu beleuchten und auf ihre Unzulänglichkeiten hinzuweisen ist viel einfacher, als vor der eigenen Tür zu kehren.
B) … ja, dies scheint ein Lebenshilfetext zu werden!
C) Weil wir die Inhalte von Emo-Sharepics zwar alle geil finden, liken und teilen, aber nicht bereit sind den eigenen Hintern hochzukriegen und Dinge anzupacken.
D) Weil Scheitern und Fehlermachen nur dann erlaubt sind, wenn sie einer großen Sache dienen und bei Fuck-up Nights zur Anekdote dienen. Niemand will scheitern. Scheiter-Geschichten von jetzt mega erfolgreichen Super-Start-up-Gründern will jeder hören. Aber sind die dann eigentlich gescheitert?
Gibt es eigentlich schon Menschen, die nur durch ihre Auftritte bei Fuck-up Veranstaltung reich geworden sind?
E) Weil wir alle in der eigenen Blase blubbern.
Jeder hat heute seine ganz persönliche Entourage, früher nur großmäuligen Bühnenstars vorenthalten. Oft ist die nur digital, setzt sich aber aus einem schlagkräftigen Trüppchen Widerspruch-verweigender Befürworter zusammen.
Diese Gruppe verteidigt auch die dämlichste Idee kraftvoll, das schlechteste Lokal vehement und das staubigste Nagelstübchen mit der Brechstange. Immerhin gibt die Cheyenne sich so viel Mühe und hat im Leben schon so viel durchgemacht… wie kann man es da wagen ihr missratenes Einzelhandelskonzept/ihr Maniküre-Lädchen oder eben ihr Kindercafé zu kritisieren.
Wir finden heute immer Befürworter. Für jeden Müll und können Selbstkritik daher abschalten.
Löse ich hier gerade etwas das Phänomen der Dynamik, das die AfD groß gemacht hat? Nein! Oder? Wo ist meine Blase… los, stimmt mir zu!
F) Weil wir im Zeitalter der Gleichmacherei leben. Alle sind gleich. Schwarz, weiß, arm, reich, dick, dünn, doof, klug, schnell, langsam. Unterschiede werden negiert und versucht wegzufördern. Keiner darf mehr einen Fehler, Makel oder eine Behinderung haben. Und falls doch ist er/sie/es ein Fall für Charity.
Wer in diesem Gusto aufwächst, der/die/das kennt Kritik nur als Aufforderung zur großen Emotion, nicht dazu sich selber zu hinterfragen.
G) Weil wir verlernt haben zu leiden, uns zu quälen. Weil schon eine durchgelernte Nacht im Studium mindestens drei Purple Hearts verdient hätte. Zumindest gefühlt. Und nach Aussage von Mama.
Es ist gut, dass wir alle im Wohlstand leben. Und so soll es auch bleiben, inschallah. Aber nicht zum Preis, dass unser Wohlstandsdenken unseren Wohlstand gefährdet. Nein.
H) Ende
P.S. Für alle die wissen möchten wie mein Dialog mit dem Kindercafé weiter ging. Ich enthalte es Euch nicht vor!
Die so:
Hallo…wir danken für die Ausführliche Kritik. Es tut uns leid , dass es heute morgen bei Ihrem Besuch so abgelaufen ist. Leider müssen wir dazu sagen das heute unsere 3 Kraft erkrankt ist und wie Sie selbst miterlebt haben war das Cafe nicht nur gut besucht , sondern 28 von 30 Plätzen waren belegt. Es tut uns natürlich leid und dies haben wir mehrmals persönlich ausgesprochen, nur sind wir keine Servicekräfte gewesen , die nur rum saßen. Wir müssen eingestehen und das ist mehr als menschlich das der heutige Andrang selbst für uns die das Gewusel hier mittlerweile gewohnt sind leicht überfordernd war.
Das wir Brötchen holen waren ist richtig , es waren leider nicht nur Reservierungen. Das Frühstücks Interesse war heute morgen so gross , das unsere Brötchen nicht ausgereicht haben. Die Bäckerei ist ja zum Glück auch nur 2 min vom Cafe entfernt 😉 Wir haben Tisch für Tisch abgearbeitet von daher können wir nicht sagen , das wir unorganisiert oder chaotisch waren. Leider sind uns auch Sachen passiert wie zb. ein Glas herunter gefallen und zerbrochen das wir natürlich dann auch noch beseitigen mussten.
Das Ihnen das Wuselcafe als lieblos eingerichteter Kindergarten vorkommt , ist Ihre persönliche Meinung und nehmen wir so ohne weiteres an. Wir haben seid der Wiedereröffnung versucht und tun dies immer noch das Wuselcafe zu einem angenehmen Treffpunkt aller Eltern und Kinder zu machen, nur leider können wir es nicht jedem Recht machen 😉
Spielgeräte für die älteren Kinder müssen wir zugeben das in dem Bereich die Auswahl rar ist. Wir werden versuchen dies zu ändern.
Wir danken für diese Anregung / Erweiterungsvorschlag, nur so können wir etwas ändern!
Dies soll natürlich keine Rechtfertigung sein mehr eine Erklärung und Entschuldigung für den schlechten Eindruck der bei Ihnen entstanden ist.
Wir hoffen natürlich das sie dem Wuselcafe samt Mitarbeiter noch eine Chance geben doch dies ist natürlich Ihnen überlassen.
Mit freundlichen Grüßen
Das Wuselcafe
Ich so:
Liebe …,
danke für Ihre rasche, ausführliche und ehrliche Antwort.
Es geht mir nicht darum Argumente und Gegenargumente auszutauschen. Es geht nicht ums Rechthaben und ich kann all Ihre Punkte nachvollziehen und verstehen.
Von einer Gastronomie mit 1000 Plätzen erwarte ich, dass das Personal und die Abläufe so getacktet sind, dass 1000 Gäste gleichzeitig bewirtet werden können. Von einer Gastronomie mit 200 Plätzen erwarte ich, dass das Personal und die Abläufe so getacktet sind, dass 200 Gäste gleichzeitig bewirtet werden können.
Von Ihrer Gastronomie mit 30 Plätzen erwarte ich, dass die Abläufe so getacktet sind, dass 30 Menschen in annehmbaren Zeit Getränke und Essen bekommen. Gerade, weil Ihr Café auf Eltern und Kinder spezialisiert ist.
Ich habe heute bei Ihnen keinerlei Abläufe beobachten können, die dies auch nur annähernd gewährleistet hätten.
Im Zweifelsfalle hätte ich mir eine „Moderation“ gewünscht, die uns darauf aufmerksam macht, dass es, aus welchen Gründen auch immer, länger dauert. Stattdessen gab es erst einen Dialog nachdem wir, schon ziemlich genervt, auf Sie zukamen.
Wie dem auch sei, ich hoffe Ihnen hilft mein Feedback Ihre Abläufe zu verbessern um Ihr Unternehmen weiter erfolgreich führen zu können.
Alles Gute
Christoph Palmert