Manch mieser Artikel würde so beginnen: Ich bin dann mal weg.

Seit Hape Kerkeling nutzen Menschen diesen Satz, um einen Reiseartikel zu beginnen. Vielfach sind das Menschen, die auch Ratzefummel zu Radiergummi sagen. Oder „Drei Packen weniger zwei Packen gleich…“, Sie wissen schon.

Ich bin jedenfalls auf Norderney. Eine in der Nordsee gelegene Nordseeinsel. Hier urlauben die Schönen und Reichen. Im Sommer. Kurz vor Weihnachten sind hier nur Alte und (ganz) junge. Oftmals in Kombination – Großeltern mit ihren Enkeln. Und ich. Mit meinem Sohn und seinem Opa, meinem Vater.

Warum?

Meine Mutter hat sich kurzfristig eine Bronchitis zugelegt und konnte nicht mitfahren. Daher bin ich 20 Stunden vor Reiseantritt als Lückenbüßer eingespungen. Völlig selbstlos, es gibt schlimmeres als eine Woche ungeplanten Urlaub.

So sitze ich im Reisebus und komme meinen pädagogischen Pflichten nach: meinen Sohn lehren und erziehen. Zu diesem Zwecke sitzen wir ganz hinten und ich bringe ihm auf diese Weise bei, dass die coolen Jungs im Bus immer hinten sitzen, immer!

Ich verschweige derweil, dass ich als Jugendlicher sehr selten dorthin eingeladen wurde.

Ich lasse also den Blick über die Herde der Mitreisenden schweifen und sehe… ausschließlich Silberrücken. In Würde versilberte Hinterhäupter, manche gedauerwellt, andere gänzlich unfrisiert.

Mann, denke ich. So viel geballtes Alter birgt wahrscheinlich eine Menge Weisheit. Neben der ganzen Weißheit.

Am Abend sitzen wir in der Gruppenunterkunft zu Tisch. Drei der Silberrückinnen nähern sich uns, gänzlich unscheu und reklamieren den Tisch für sich. Dort hätten sie sonst immer gesessen.

Die drei Palmert-Männer schalten auf Stur, die Damen trollen sich.

„Ui, was ein Einstand. Mal sehen wir wir uns ab jetzt begegnen“, denke ich mir. Und muss feststellen, dass ich, schon Stunden später, nicht mehr weiß welche drei Damen aus der Herde der Silbrigen es waren. Das Alter macht uns alle gleich.

Wir verbringen herrliche Tage, lernen uns besser kennen. Ich nehme an Singabenden teil, die mir mehr Freude bereiten als manches was ich in meinem altersgerechten Alltagsleben sonst erlebe.

Selbstoffenbarung: Einmal schmettere ich einen Abend lang, gemeinsam mit 50 Ü70-Menschen, alles was das Schlagerherz begehrt. Von „Theo, wir fahrn nach Lodz“, über den „Schnee-Schnee-Schneewalzer“ bis hin zu „Junge, lass das Träumen“.

Ich amüsiere mich liebevoll über die sich anbahnende Schwerhörigkeit fast aller Mitreisenden und genieße die Ruhe, Gelassenheit und Zuversicht, die das Alter in Form von Rheuma und Arthrose mit sich bringt.

Alte Menschen sind weise und gelassen. Blödsinn!

Sie lästern genauso übereinander wie Teenies im Landschulheim und lassen sich in Idioten und nicht-Idioten kategorisieren – wie jede andere Altersklasse auch.

Aber: sie sind bei sich, sie stören sich wenig an dem was andere über sie denken, pflegen einen wohl erzogenen Umgang miteinander und biedern sich nicht an.

In manchen Momenten beneide ich die Herde der Silberrücken, die mir mit der zuvorkommenden Wärme und Überheblichkeit einer lieben Oma begegnen. Ich gehöre nicht dazu. Noch nicht. Aber hoffentlich irgendwann.

P.S. Herzlichen Dank an das wundervolle Team des https://www.haus-am-weststrand.de/. Danke für die wunderbare Umsorgtheit, die mir so seit dem Kindergarten nicht mehr zu teil wurde. Danke an den Koch, neben dem selbst ich (knapp zwei Meter lang) mir vorkomme wie ein Vorschüler. Stellen Sie sich einfach den größten Wikinger vor, den Sie sich vorstellen können – fertig. Danke an die FSJ’lerin, die uns alle mit ihrer offenen, herzlichen und freundlichen Art bezaubert hat. Mancher ist schon mit 19 mehr Gastgeber als andere es jemals werden können. Danke an den Direktor des Hauses, der im Hintergrund die Fäden zusammenhält. Danke für die wunderbare Reiseleitung, die es problemlos geschafft hat allen kleinen und großen Forderungen gerecht zu werden, ohne dabei jemals das Zepter aus der Hand zu geben. Danke für die Musik… von der es sehr viel gab.

Also, wenn Sie eine tolle Zeit verbringen möchten, die es Ihnen ermöglicht einfach mal abzuschalten. Hier sind Sie richtig!

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