Okay, ich bin hoffnungslos naiv. Ich möchte nämlich in einer Welt leben, die Stück für Stück besser wird. In der mir Menschen einen freundlichen „Guten Morgen!“ zunicken. In der mich Kolleginnen und Kollegen als Menschen schätzen und Vorgesetzte hin und wieder loben und sich bedanken. In der Empathie und Wertschätzung ganz nebenbei und unprätentiös eine Selbstverständlichkeit sind, in der es jeden Tag ein bisschen mehr Freundlichkeit, Höflichkeit und Optimismus gibt. Einfach, weil diese zwischenmenschlichen Signale das Leben schöner und sinnvoller machen. Und selbstverständlich ist dies auch eine Forderung an mich, jeden Tag ein bisschen freundlicher und empathischer zu sein anstatt schlecht gelaunt meiner Neigung zum schwäbischen Bruddler nachzugehen.
Ich möchte jedenfalls nicht in einer Welt leben, in der auf diese kleinen, Hoffnung machenden Gesten verzichtet wird. In einer im schlechten Sinn durchökonomisierten Welt, die diese Gesten für verzichtbar hält. Ich möchte nicht in einer Welt leben, die Stück für Stück schlechter wird.
Das Gute – nur vorgeschoben?
Deswegen mag ich es, wenn Unternehmen ihrerseits solche kleinen Gesten senden. Ich mag es, wenn Vorstandsvorsitzende sich auf die vielzitierte und selten genug ernstgemeinte „Augenhöhe“ mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern begeben – und wenn es auch nur einmal im Jahr beim Betriebsfest ist. Wenn man die Vorgesetzten als Menschen wie Du und ich erleben kann. Wenn sie sich nicht zu schade sind, ihren Mitarbeitern ein Bier oder einen Kaffee holen zu gehen, wenn sie hemdsärmelig neben den Produktionsmitarbeitern und den Leuten vom Facility Management auf der Bierbank sitzen, ernstgemeint nach der Familie fragen und mit ein paar wirklich guten, politisch völlig korrekten Witzen, die niemanden diskriminieren, für eine gewisse Heiterkeit auf der Bierbank sorgen. Vorgesetzte, die keinen Dünkel kennen und wissen, dass sie selbst nur deswegen gute Führungskräfte sein können, weil sie ihr Team, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ernst und wichtig nehmen und für sie da sind. Weil sie eher Coach als Chef sind.
Solche Vorgesetzte gibt es – glücklicherweise. Und ich möchte, dass es noch viel mehr von ihnen gibt.
Das Gute – nur PR?
Am Wochenende durfte ich wieder zwei Tage lang Studierende in die offenen Geheimnisse der Public Relations einführen. Ich glaube zutiefst, dass Public Relations per default die Welt jeden Tag ein bisschen besser machen. Weil das ihre Aufgabe, ihre Mission, ihr Sinn und Zweck ist – aus meiner ziemlich unmaßgeblichen Sicht. Public Relations sind „Öffentlichkeitsarbeit“ und – das sagt der englische Begriff ja überdeutlich – der Aufbau einer tragfähigen Beziehung und die permanente Arbeit an der Vertiefung dieser Beziehung hin zu einer tragfähigen, belastbaren Partnerschaft mit einer sehr, sehr kritischen Partnerin: der „Öffentlichkeit“.
Und wie gewinnt man das Vertrauen dieser eher skeptischen Öffentlichkeit? Durch kleine Gesten. Durch Offenheit, durch Wertschätzung, auch mal durch hemdsärmelige Geselligkeit. Durch den Versuch, Hierarchien und trennende Unterschiede einzuebnen. Durch Partnerschaftlichkeit: sich nicht dafür zu fein zu sein, anderen mit einer Dienstleistung unter die Arme zu greifen. Durch Offenheit und Transparenz statt durch Zurückhaltung und Bunkermentalität. Und ganz bestimmt durch klugen, feinsinnig-selbstironischen, auf jeden Fall nicht-diskriminierenden Humor.
Das Gute – nur Kalkül?
Einzelne, sehr wenige, aber sehr überzeugte Studierende haben das in der Vergangenheit anders gesehen – und auch an diesem Wochenende wieder. Sie wittern hinter jeder dieser Gesten Kalkül. Wenn der Vorstandsvorsitzende Bier holen geht oder der Belegschaft freundlich-humorvoll ein „Frohes Fest“ wünscht, dann doch wohl nur aus finstersten Beweggründen: Vermutlich will er damit nur die nächste kaltherzige Entlassungswelle einläuten.
So ähnlich argumentieren manche.
Ich habe vor einigen Semestern von dem besonderen Jahresbonus erzählt, mit dem eine Arztpraxis ihren wirklich hart arbeitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf ungewöhnliche Weise „Danke!“ sagen wollte: Eine Woche All-inclusive-Urlaub auf Mallorca inklusive Taschengeld für alle und ihre Partnerinnen und Partner. Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann, oder? Ein Studierender schon; er vermutete sofort unmenschlichste Motive dahinter: den Versuch, die Mitarbeiter noch weiter ausbeuten zu können, sie nur deswegen zur „Erholung“ in den Zusatz-Urlaub zu schicken, um sie hinterher noch weitaus stärker belasten zu dürfen. Er nannte dieses Geschenk, über das sich Millionen Angestellte sicherlich sehr freuen würden und es als Wertschätzung ihrer Arbeit empfinden würden, mit voller Absicht „inhuman“ und wiederholte diesen Begriff.
Was ging in seinem Kopf vor?
Hat er den Sinn von Dankbarkeit nicht verstanden? Hat er nie Dankbarkeit verspürt? Hat er nie echtes Entgegenkommen, nie herzliche Geschenke, nie ernstgemeinte Wertschätzung erfahren dürfen? Hat er nur Lug und Trug und Ausbeutung und seelischen Missbrauch erlebt?
Welche Welt wollen wir?
In fast allen Fällen, in denen ich tolle CSR-Kampagnen großer Firmen vorstelle, gibt es einige, die in ihnen ausschließlich egoistische Ziele ausgemacht haben wollen: „Die wollen doch nur einen Vorsprung vor den Mitbewerbern. Die wollen doch nur verkaufen!“
Klar wollen sie das. Und das ist nicht nur legal und legitim, es ist in unserer Welt leider notwendig. Wie sie es tun, macht hingegen einen gewaltigen Unterschied. Diese gescholtenen Unternehmen könnten ihre CSR-Anstrengungen ja auch einfach bleiben lassen: Warum sollen sich Dove und Always und Nike dafür schimpfen lassen, dass sie gemeinschaftlich versuchen, das Selbstbild und das Selbstbewusstsein von Frauen überall auf der Welt zu verbessern und zu steigern? Andere tun es nicht – viele, viele andere tun es nicht, ja, die allermeisten anderen Unternehmen tun es leider nicht. Und die UNO tut es nicht hinreichend, und die EU nicht, die FIFA nicht und Greenpeace auch nicht. Aber über die, die die Welt zum Positiven verändern wollen, wird Kritik ausgekübelt. Na, vielen Dank auch.
Mir platzt in diesen Situationen immer ein wenig kalkuliert der Kragen.
Die Guten – die eigentlich Schlimmen?
Das viel zu wenige Gute, das in diese Welt gebracht werden soll, wird von manchen sehr argwöhnisch beäugt: Es könnte ja eine Falle sein. Oder nur dem Ego-Trip der Aktiven dienen. Oder „nur“ eine abgekartete Sache zum Geld verdienen sein. Während die, die nichts Positives beitragen, die weiterhin im Stillen und Verborgenen ihre fragwürdigen Geschäfte machen und sich einen feuchten Kehricht um eine bessere Welt scheren – über die spricht niemand, sie sind fein raus.
Oder sollen wir es lassen?
Wäre es also angebrachter, wenn niemand mehr versuchen würde, die Welt besser zu machen? Wäre es für das skeptizistische Weltbild mancher Menschen angemessener, keine Women-Empowerment-Kampagnen zu starten? Und keine Wie-erziehen-wir-unsere-Jungs-zu-besseren-Männern-Kampagnen? Wäre es besser, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern keine Weihnachtsgrüße zu senden und ihnen auf gar keinen Fall einen Sonderurlaub mit Partner auf Mallorca zu schenken? Kein warmer Händedruck, weil: Kommt eh nicht von Herzen!? Kein Lob, weil: Es ist eh nicht ernst gemeint und soll nur die nächste Unverschämtheit einleiten?!?
Oder wollen wir diese Gesten haben? Wollen wir eine kalte Welt oder eine warmherzigere?
Ich möchte gerne die warme Variante, falls möglich. Bitte. Aber – was weiß ich schon von der Welt…