Langsam wird es Morgen. Gabriela genießt die aufkeimende Wärme des Tages. Sie streckt sich und entfaltet, ganz gedankenverloren, ihre Flügel. Wie steif die sind. Eigentlich benutzt sie die ja ständig, so lange wie heute hatte sie sie fast noch nie zusammengefaltet. Gut tut das. Aber benutzen soll sie die Flügel hier nicht. Das wurde ihr so oft gesagt, dass sie es fast nicht mehr hören konnte. Die Menschen fänden das seltsam, hat man ihr gesagt.
Gabriela überlegt. Wie soll sie das eigentlich machen mit ihrer Aufgabe? Wobei, sie nennt es Mission. Klingt spannender. Irgendwie nach Geheimagentin.
Es geht darum mit den Menschen über Weihnachten zu reden, den Geburtstag vom Junior-Chef. Den feiern sie auch immer groß. Meist gibt´s Muffins für alle und Petrus macht sich einen Spaß daraus nie vorher zu verraten wie das Wetter werden wird. Letztes Mal hat es geschneit ohne Ende und gleichzeitig war es brütend heiß. Zum ersten Mal überhaupt ist Gabriela da im T-Shirt und in kurzer Hose Ski gelaufen.
„Schritt für Schritt“, überlegt sie. Eine Sache nach der anderen. Erstmal muss ich ja Menschen überhaupt kennenlernen, bevor ich mit ihnen sprechen kann.
Wo trifft man Menschen denn wohl? Noch ist ja hier gar keiner zu sehen. Viele scheint´s von denen ja nicht zu geben.
Gabriela läuft weiter durch die Straßen. Langsam wird´s langweilig. Aber diese Fahrmaschinen werden immer mehr. Schon zweimal musste sie ausweichen, weil von hinten eins von denen ankam und sie mit lauten Geräuschen weggejagt hat.
Da, schon wieder eins. Sie zückt ihren Interpres, ein Gerät das man ihr mitgegeben hat. Damit kann sie Sachen fotografieren und kriegt dann angezeigt um was es sich handelt und was die Menschen damit anfangen.
Zack, es düst an ihr vorbei. Blitz, sie macht ein Bild.
Auto. Möglichkeit der Erdbewohner sich schneller als zu Fuß fortzubewegen. Braucht Benzin, sonst fährt es nicht. Kann kaputt gehen und macht es auch oft. Für viele Menschen wichtiger als alles andere. Teuer.
Das spuckt das Interpres aus und Gabriela versteht, dass sie diesen Maschinen wohl öfters begegnen wird.
Jetzt treten immer mehr Menschen aus ihren Häuser auf die Straße. Es regnet immer noch und viele von Ihnen öffnen schnell, nachdem sie das Haus verlassen haben, ihre Flügel. Seltsame Flügel sind das. Immer nur einer, aufgehängt an einem einzelnen Knochen, der aus einer Hand wächst. Und den spannen sie über ihren Kopf. Dann greift der Wind dort rein und sie versuchen zu fliegen. Klappen tut das aber nicht. Die Flügel behindern die Menschen eher, als dass sie zum Fliegen nutzen.
„STOPPPPPPPP! HALLLLLTTTTT! Was machst Du denn!“. Gerade ist ein Riesenauto vorbeigekommen, hat angehalten und einer der einflügelerigen Menschen ist eingestiegen. Viele saßen schon drin. An dem Häuschen davor hat dieser Mensch kurz gewartet und seinen Flügel dabei eingeklappt. Und abmontiert. Und auf dem Boden abgestellt. Und nun… stehen gelassen!
Sie zückt ihren Interpres. Klick.
Regenschirm. Meist schwarz, manchmal bunt. Dient den Menschen als Regenschutz. Wird aufgespannt und über dem Kopf getragen.
Nicht mit Flügeln verwechseln! Dienen nicht dem Fliegen.
Ah, Gabriela versteht. Das hat gar nichts mit Flügeln zu tun.
Immer mehr Menschen laufen jetzt an ihr vorbei. Je jünger sie sind, desto seltener tragen sie einen dieser Regenschirme. Scheint, dass man sich die erst verdienen muss und erst bekommt wenn man alt ist.
Die Menschen beachten Gabriela nicht. Aber auch untereinander gibt es keinen Kontakt, kein Hallo, kein Guten Morgen. Irgendwie unfreundlich findet Gabriela das. Sie wünscht sich, dass sie die Situation fotografieren könnte, um sie zu verstehen. Das geht aber nicht. Der Interpres erklärt nur Sachen die man anfassen kann.