Gabriela läuft los. Das Haus mit dem Kreuz-Logo ist ganz nah. Nur einmal um die Block.
Ein ziemlich großes Haus, mit einer großen Holztür. Gabriela sucht die Knöpfe in der Wand. Keine da. Neugierig steckt sie den Kopf durch die Tür. Das Haus hat nur einen Raum, darin stehen viele Sitzbänke. Aber das Haus ist komplett leer.
Dann kann sie auch rein.
Nichts los hier, vielleicht sind schon alle aus dem Haus raus. Ihr sind ja schon viele entgegen gekommen. Es gibt viele Bänke hier, aber nur einen Tisch. Der steht ganz vorne in dem Raum. Darüber hängt das Logo vom Junior, mit ihm dran.
Auch nicht wirklich fröhlich. Aber sie kennt die Geschichte. Um wieder nach Hause kommen zu können musste der Junior-Chef damals so tun als sei er gestorben. Und um zu sterben legen sich die Menschen anscheinend auf ein Kreuz.
Warum in diesem Haus gerade der Junior dargestellt ist, ist ihr nicht ganz so klar. Aber egal, dass sie ihn hier unten anhimmeln, das weiß sie.
Viel mehr interessiert sie nun aber, warum hier keiner ist.
„Wie kommen Sie hier ein? Ist doch abgeschlossen.“, reißt eine Stimme Gabriela aus ihren Gedanken. Sie dreht sich um. Vor ihr steht ein großer Mann und guckt sie freundlich an. „Ich bin nur überrascht“, ergänzt er, „ich dachte eigentlich, dass ich heute morgen keine Termine habe.“
„Mein Name ist Gabriela“, sagt Gabriela. Etwas klügeres fällt ihr momentan nicht ein.
„Und was kann ich für Sie tun?, fragt der freundliche Mann.
„Ich möchte mit Ihnen über Weihnachten sprechen.“
„Gerne“, sagt der Mann. „Mein Name ist Gerd Schober, ich bin hier der Gemeindepfarrer. Lassen Sie uns setzen.“
Gabriela ist erstaunt. Warum geht das hier plötzlich so einfach? Die anderen vorhin haben noch nicht mal nachgefragt, sondern die Tür direkt zugeschlagen.
Sie beschließt Gerdschober danach zu fragen.
„Ich war heute schon bei vielen Leuten und habe sie gefragt, ob sie mit mir über Weihnachten sprechen wollen. Sie sind aber der Erste, der nicht sofort nein sagt.“, berichtet Gabriela.
Der freundliche Gerdschober lacht.
„Das kann ich mir vorstellen. Wenn sie einfach so vor der Tür auftauchen und eine solche Frage stellen. Die haben sicherlich alle gedacht, sie seien von den Zeugen Jehovas. Sind Sie von den Zeugen Jehovas?“
Gabriela weiß nicht was sie sagen soll. Klar, Jehova kennt sie gut. Er ist ja immerhin der Chef. Viel hat sie im Alltag nicht mit ihm zu tun, da liegen noch ein paar Ebenen zwischen. Aber sie ist ihm schon auf vielen Festen begegnet, hat auch schon gute Gespräche mit ihm geführt und auch ihre jetzige Mission kommt direkt von ihm. Zwar hat er sie nicht persönlich geschickt, das war ein Formalien-Engel. Aber der Auftrag kam von ihm.
Sie war auch schon mal Zeugin, wie er sich am Geburtstag vom Junior, einen zu viel genommen hatte – da war er noch lustiger als sonst und ist irggendwann im Gespräch mit Abraham einfach eingeschlafen. Aber das habe viele gesehen. Als Zeugin würde sie sich also nicht bezeichnen.
Irgendwie interessiert das den Gerdschober jetzt aber auch nicht mehr. „Was wollen Sie denn über Weihnachten wissen?“, fragt er nun.
„Eigentlich interessiert mich momentan eher, warum sie hier alleine wohnen. Ist doch viel zu groß.“, fragt Gabriela zurück.
Wieder lacht Gerdschober. „Ich wohne hier nicht. Das ist ja eine Kirche – ein Haus Gottes und ich bin hier der Pfarrer.“
Blödsinn, denkt sich Gabriela. Sie kennt das Haus vom Chef. Das ist viel kleiner, gemütlicher und es hängt auf jeden Fall nicht das Logo vom Junior drin… mit ihm dran. Und warum sollte der Chef hier ein Haus haben, wenn er doch nicht zum schlafen oder wohnen herkommt?
„Und warum sind hier nur Sie“, fragt sie. „Ist doch ziemlich ungemütlich. So viel Platz und so wenig andere.“
„Es gibt Gottesdienste. Da kommen Leute hierher und wir feiern zusammen“, antwortet der Pfarrer.
Für Gabriela wird nichts klarer. Egal. Zurück zu Weihnachten.
„Und Weihnachten?“, fragt sie.
„Da ist es hier besonders voll“.
„Warum?“
„Weil Weihnachten viele Menschen gerne in die Kirche gehen.“
„Warum? Was ist da anders, als an anderen Tagen?“
„Da haben viele Menschen Zeit, sind festlich gestimmt und wollen den Geburtstag von Jesus feiern.“
Damit kann Gabriela was anfangen.
„Die Menschen feiern also gerne Weihnachten, weil sie dabei an den Geburtstag vom Jun… äh, von Jesus feiern… also an den Geburtstag denken?“, fragt sie.
„Ja. Für manche ist das so…“
„Und für andere?“
„… ist es eine liebgewonnene Tradition – ein Familienfest. Viele Menschen haben wenig christlichen Bezug zu Weihnachten.“
„Aha, danke!“
Gabriela ist überfordert. Sie lächelt freundlich und geht durch die große Tür nach draußen auf die Straße.
Der Pfarrer schaut ihr ungläubig hinterher. Hat er das gerade richtig gesehen?